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Ernüchterung trotz Erfolgs - ein Artikel von Thomas Schaarschmidt

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TdMf 2015 01Bitterfeld: Millionen Zuschauer verfolgen die Spiele der deutschen Fußballerinnen bei der Weltmeisterschaft in Kanada am Fernsehgerät. Doch in Sachsen-Anhalt gibt es Probleme.
Etwas müde war Elfie Wutke am Mittwochvormittag durchaus noch. „Die Nacht war lang“, gab die Vizepräsidentin für Frauen und Mädchenfußball beim Fußball-Landesverband Sachsen-Anhalt (FSA) zu, „aber so ein WM-Halbfinale muss man schon einmal live verfolgen.“ Natürlich gehörte Wutke zu den knapp 2,6 Millionen Fernsehzuschauern, die trotz der späten Anstoßzeit um 1 Uhr in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch der deutschen Mannschaft die Daumen drückte - wenn auch vergebens. „Die Niederlage war letztendlich in Ordnung“, sagt Wutke am Tag danach, „auch wenn der Einzug ins Finale oder sogar der WM-Titel für das Image des Frauenfußballs gut gewesen wäre.“

Bild: FSA

Das nämlich stellt sich aktuell gemischt dar: Hier die Millionen am Bildschirm, die dem deutschen Team die Daumen drücken, auf der anderen Seite, speziell in Sachsen-Anhalt, eine gewisse Ernüchterung. „Man muss es eben voneinander trennen“, sagt Wutke, „ein WM-Titel liest sich gut, sorgt am Ende aber nicht für einen Aufschwung.“ Das habe man bereits nach dem Gewinn der Trophäen 2003 und 2007 beobachten können. Vor knapp zehn Jahren gab es noch 45 Frauenmannschaften auf dem Großfeld in Sachsen-Anhalt. „In der kommenden Saison“, so Wutke, „werden es nur noch zwölf Teams sein.“ Der Trend der Fußballspielerinnen geht hin zum Kleinfeld. Geht zum erweiterten, entspannten Freizeitkick.Was Lisa Brill wiederum gar nicht verstehen kann. Die 24-jährige Bitterfelderin spielt seit über zehn Jahren, aktuell beim SV Pouch-Rösa. „Ich bin kein Freund des Kleinfeldes, eine Fußballmannschaft besteht nun mal aus elf Spielern und Frauenfußball ist kein Kinderfußball.“ Entscheidend für die Entwicklung sei, dass zu wenig Nachwuchs nachkomme - in der Breite. „Der Altersdurchschnitt in der Liga ist zu hoch“, so Brill. Das Problem kennt auch Elfie Wutke. Und ernüchtert sie. „Es übernehmen zu wenig Frauenteams die Verantwortung Nachwuchs zu entwickeln.“

Am vergangenen Wochenende etwa, als mit dem traditionellen „Tag des Mädchenfußballs“ die Saison ihren Abschluss fand, suchte Wutke Seniorenspielerinnen vom Gastgeber Motor Halle nahezu vergebens. „Das stimmt nachdenklich.“Eine Option könnte sein, ähnlich wie im Männerbereich Vereine auf Landesebene zur Stellung von Nachwuchsteams zu verpflichten. Wutke hatte vor einigen Jahren schon einmal diesen Antrag beim FSA-Vorstand gestellt - blitzte damit aber ab. Der FSA hat nun einen Masterplan aufgelegt, der bis zum Jahr 2018 im gesamten Bundesland die Spielmöglichkeiten an die Bedürfnisse der Vereine anpassen soll. Ausgang ungewiss. Klar ist jedoch: Ohne vernünftige Großfeldligen dürfte die Entwicklung langfristig stagnieren.

Für Lisa Brill gibt es noch ganz andere Gründe, die ihren Sport behindern. „Ich kann es nicht erklären, aber ich schaue mir selbst auch lieber Männerfußball an“, gibt sie zu. „Vielleicht auch, weil man das eben in größeren Gruppen gucken kann.“ Das Problem sei dabei immer der Vergleich zwischen Frauen- und Männerfußball. Und auch eine unterschiedliche Wertung der Leistung brächten den Sport nicht voran. „Ich liebe Frauenfußball, aber es wird nicht wirklich als eigenständige Sportart gesehen.“ Und aktuell sind im Land des Männer-Weltmeisters die Frauen sportlich nur zweiter Sieger.

Quelle: mz-web.de